resource: Ravynne Phelan |
von
©zissa - nach einer alten Sage über die germanische Göttin Ostara
Einmal,
als die Sonne gerade über die Berggipfel im Osten kletterte und ihre
warmen Lichtstrahlen wie flüssiges Gold über den Garten der Göttin
glitten, ging Ostara in ihrem unendlich tiefen Zauberwald spazieren.
Bunt leuchtende Blumen wuchsen auf den Lichtungen und weiches Gras
liebkoste die nackten Füße der Göttin. Die Vögel zwitscherten und
sangen ihre fröhlichen Lieder, zum Dank dafür, dass alle Tiere und
Bäume wohlbehalten aus dem Winterschlaf geweckt worden waren. Die
Göttin sah, dass alle ihre Geschöpfe wohlauf waren. Die Lämmer
sprangen auf den Feldern und tranken die warme Milch ihrer Mütter.
Die Rehe grasten mit ihren kleinen neugierigen Kindern an den
Waldhängen und die frischen grünen Blätter der Birken rauschten
lieblich im duftenden Frühlingswind. Ostara lächelte zärtlich und
hob die Hände, so als wollte sie die ganze Welt in ihre weichen Arme
schließen. Da drang plötzlich ein ungewohnter Laut an ihr Ohr.
Verwundert blickte sie auf. Es hörte sich fast so an als würde
jemand verzweifelt weinen. Aber dass konnte doch gar nicht sein, alle
Lebewesen erfreuten sich an den immer wärmer werdenden
Sonnenstrahlen und den duftenden Kräutern, die aus den Samen
gebrochen und erblüht waren. Wer sollte zu dieser Zeit der großen
Freude so traurig gestimmt sein? Suchend und besorgt um sich blickend
schritt Ostara neben den Laubbäumen einher,
bis sie schließlich vor dem mächtigen Stamm einer uralten Eiche
innehielt. Dort oben in der Baumkrone saß jemand und weinte
bitterlich. „Wer bist du? Was fehlt dir?" wollte Ostara
erstaunt wissen. Das kleine Knäuel auf dem Baum regte sich und
begann schniefend zu schluchzen: „Ich
...ich bin ein... Vogel." Es war tatsächlich ein kleiner
braungesprenkelter Vogel der zitternd und weinend im Baum saß und
kein Wort mehr hervorbrachte. „Warum bist du denn so traurig
kleiner Vogel. Weine doch nicht mehr" versuchte Ostara ihn zu
trösten. „Weil, weil ich ein Vogel bin, gerade deshalb bin ich ja
so traurig. Ich... ich möchte kein Vogel sein!" „Du möchtest
kein Vogel sein?" wunderte sich die Göttin „Aber was möchtest
du denn dann sein?" Der Vogel wischte sich mit seinen Flügeln
die Tränen aus den Augen. „Ich weiß nicht. Aber ich würde gerne
über die Wiesen laufen und an Blumen schnuppern" meinte er dann
ernst. Die Göttin lächelte und überlegte einen Moment. „Bist du
dir ganz sicher, dass du kein Vogel mehr sein willst?" Der Vogel
zögerte kurz, piepste dann aber: „Ja, ich bin mir ganz sicher!"
„Also, gut. Schließe deine Augen" sprach Ostara und runzelte
kurz die Stirn, dann hob sie die Hände und hielt sie segnend über
den kleinen Vogel. Er spürte wie ein wunderbares Gefühl seinen
Körper durchströmte. Die Göttin hob ihn von seinem Ast und hielt
ihn in ihren Händen. „Kann..., kann ich die Augen schon wieder
öffnen?" flüsterte er aufgeregt. „Ja, mein Kleiner. Öffne
deine Augen und sieht selbst" Als der Vogel an sich
herabblickte, mümmelte er erstaunt mit seinem neuen Stupsnäschen.
Er war ja gar kein Vogel mehr. Ostara hatte ihn in ein neues Tier
verwandelt. Er besaß nun ein weiches Fell, vier rosa Pfötchen,
ein wuscheliges weißes Schwänzchen und zwei sehr lange Ohren. „Was
bin ich denn? Was bin ich denn?" wollte er wissen und machte ein
Männchen als Ostara ihn vorsichtig auf der Wiese absetzte. „Oh,
ich glaube du bist...ein Hase" sagte Ostara und streichelte ihm
über sein Köpfchen und die zwei sehr langen Ohren. „Vielen Dank,
vielen Dank!" jubelte der Hase und sprang wie wild vor Freude
von einem Farnbüschel zum nächsten und schnupperte dabei an jeder
Blume. Ostara winkte ihm zu und machte sich auf den Heimweg. Seit
diesem Tag warten der Hase und seine sich rasche vermehrende Familie
jedes Jahr im Frühling auf die Ankunft der Göttin und zum Dank
bringen sie Ostara die bunten Eier, die wir heute noch färben und
verstecken. Ostara war von der Treue des Hasen gerührt und wählte
ihn zu ihrem Begleiter und Schutztier. Und wenn du den vollen Mond
betrachtest kannst du vielleicht den treuen Hasen in seinem Antlitz
erkennen.
©zissa
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