Samstag, 30. April 2011

Die Schöne und das Biest {Beltaine Märchen}


Es war einmal ein Kaufmann, der war sehr reich und lebte mit seinen Kindern in einem schönen Haus. Er hatte drei Söhne und drei Töchter, die waren schön und vornehm, doch am meisten wurde die Jüngste bewundert. Schon als kleines Mädchen nannten alle sie Belle - die Schöne. Es geschah nun dass der Kaufmann Nachricht erhielt, es wäre ein Schiff mit seinen Waren glücklich angekommen. So machte er sich zur Abreise bereit und die älteren Schwestern baten er möge Kleider und Schmuck für sie mitbringen. „Und du Belle, soll ich dir nichts mitbringen?“ „Oh, wenn du die Güte besitzt Vater, bringe mir nur eine Rose mit“ sagte Belle.
Der Vater machte sich auf den Weg in die Stadt und nach erledigter Arbeit begab er sich, voller Freude seine Kinder wiederzusehen, auf den Heimweg, welcher ihn durch einen großen dunklen Wald führte. Es schneite ununterbrochen und der Wind wehte so stark dass der arme Mann sich bald verirrte. Schon hörte er die heulenden Wölfe näher kommen, da erblickte er am Ende des Weges ein nahes Licht. Schnell ritt er darauf zu und erkannte ein großes erleuchtetes Schloss. Er betrat das Schloss, doch begegnet ihm darin keine Menschenseele. Weil der Regen und der Schnee ihn bis auf die Knochen durchnässt hatten trat er ans Feuer um sich zu wärmen und vor Müdigkeit schlief er schließlich auf einem Stuhl ein. Als er am Morgen erwachte und aus dem Fenster blickte war aller Schnee verschwunden. Vor ihm erschreckte sich ein herrlich blühender Garten. Er eilte hinaus um sein Pferd aus dem Stall zu holen und als er an einer Laube vorbeischritt, erinnerte er sich an Belles Wunsch und brach die schönste Rosen von einem Zweig. Da ertönte ein fürchterliches Brüllen und er sah ein entsetzliches Biest auf sich zuspringen. „So also dankst du mir meine Gastfreundschaft“, brüllte das Biest mit furchteinflößender Stimme, „Ich habe dir dein Leben gerettet, dich in meinem Schloss übernachten lassen und nun stielst du mir meine Rose. Die Rose die mir unter allen die Liebste ist. Dafür musst du mit deinem Leben bezahlen.“ Der Kaufmann fiel vor Angst auf die Knie und bat das Biest um Verzeihung: „Ich habe die Rose doch nur für eine meiner Töchter gepflückt, da sie mich inständig darum gebeten hat.“ „Nun gut“ antwortete das Biest, „Ich will dir wohl verzeihen, aber nur unter folgender Bedingung: Schicke mit eine deiner Töchter um statt deiner zu sterben, sonst musst du selbst nach drei Monaten wiederkehren.“ Der arme Mann wollte natürlich keine seiner Töchter zu dem schrecklichen Biest schicken, doch dachte er sich, dass er so wenigstens seine Kinder noch einmal würde wiedersehen und schwor, er selbst wolle wiederkommen. So kehrte er schweren Herzens zu seinen Kindern zurück und konnte ihre Liebkosungen gar nicht erwidern sondern fing bei ihrem Anblick an zu weinen. Er überreichte Belle die Rose welche er ihr mitgebracht hatte und erzählte, wie teuer ihm diese zu stehen kommen und das ein grässliches Biest ihn dafür töten würde. Da weinten die Schwestern und beschimpften Belle, dass sie die Schuld am Tode ihres Vaters trüge. „Ich werde nicht weinen!“ rief Belle da, „denn ich trage an nichts die Schuld. Vater wird nicht sterben. Ich selbst werde zum Schloss des Biestes reiten und mich seinem Zorn übergeben. Und ich bin glücklich darüber Vater so meine Liebe zu beweisen.“ Ihre Brüder und der Vater wollten sie nicht gehen lassen, doch Belle hörte nicht auf das Flehen ihrer Familie. So brach sie am nächsten Morgen mit des Vaters Pferd auf und nahm den Weg zum Schloss. Gegen Abend erreichte sie es, brachte ihr Pferd in den Stall und betrat den hell erleuchteten Saal, in welchem ein wahres Festmahl angerichtet war. Als Belle mit großem Hunger gegessen hatte, vernahm sie plötzlich ein lautes Toben und Brüllen. Sie konnte ein Zittern und Beben nicht unterdrücken, als sie das schreckliche Biest auf sich zukommen sah, fasste sich aber schnell wieder so gut sie konnte und als das Biest sie danach fragte, ob sie ihres guten Herzens wegen gekommen sei, so sagte sie mit leiser Stimme: „Ja!“ „Du bist sehr gütig“ sprach darauf das Tier, verabschiedete sich von ihr und verschwand. Auf Wiedersehen, Biest“ flüsterte Belle, als sie ganz allein in dem großen Saal zurückblieb. Da sie sich sehr einsam fühlte begann sie zu weinen, doch dann erinnerte sie sich an ihren Mut und dachte sie wolle ihre letzte Nacht nicht mit Weinen vergeuden, da sie sich sicher war, dass das Biest sie morgen auffressen würde. So legte sie sich nieder und obwohl sie geglaubt hatte diese Nacht kein Auge zumachen zu können, schlief sie schon bald ein. Im Traum sah Belle eine Dame, die da sprach: „Ich bin mit deinem guten Herzen sehr zufrieden, Belle. Die gute Tat, die du nun begehst, indem du dein Leben hingibst um einen anderen zu retten, soll nicht ohne Lohn bleiben!“ Als Belle erwachte fühlte sie sich ein bisschen getröstet und beschloss herumzuwandern und das große Schloss zu erforschen. Wie überraschte war sie da, als sie plötzlich vor einer Tür stand, auf welcher geschrieben stand: „Belles Zimmer“. Vorsichtig öffnete sie die Tür und ihr stockte der Atem. Es war eine große Bibliothek mit Tausenden von Büchern, einem schönen Flügel und vielen Notenblättern. „Nun, wenigstens werde ich mich nicht langweilen“, sagte Belle sich leise, nahm eines der Bücher aus dem Schrank und verbrachte den Tag lesend. Zur Abenddämmerung fand sie im Saal erneut eine reichlich gedeckte Tafel vor. Als sie sich setzen wollte, hörte sie wieder, das Geräusch, welches das Biest machte, wenn es sich durch die Räume bewegte. „Belle“, sagte das Biest zu ihr, „willst du mir wohl erlauben, dass ich dich heute Abend speisen sehe?“

Du hast hier zu befehlen“ antwortete Belle zitternd. „Nein“ erwiderte das Biest „niemand anderer als du hat zu befehlen. Du brauchst mir nur zu sagen, wenn du wünschst, dass ich verschwinde. Sag, findest du mich sehr hässlich?“ „Nun, ja“, sagte Belle „Ich kann nicht lügen. Aber ich beginne zu glauben, dass du auch Güte besitzen. Und so gesehen, kommst du mir gar nicht mehr so hässlich vor“ „Wahrlich“ antwortete das Biest, „Ich besitze ein gutes Herz, aber ich bin ein Biest“ „Es gibt viele Menschen die sind schlimmere Biester als du“ rief Belle „Du bist mir tausendmal lieber, als alle Menschen mit schlechten, undankbaren Herzen.“ Von diesem Tage an besuchte das Biest Belle jeden Abend. Die Tage verbrachte Belle lesend und durch die herrlichen Gärten des Schlosses spazierend, doch zur Abenddämmerung kehrte sie in den Saal zurück um den Besuch des Biestes zu erwarten. Sie hatte fast gar keine Furcht mehr vor ihm, denn jeden Tag entdeckte sie neue Güte in ihm. Durch die Gewohnheit es zu sehen, hatte sie sich an seine Hässlichkeit gewöhnt und sie ertappte sich oft dabei auf die Uhr zu sehen, ob es noch nicht die Stunde wäre in welcher das Biest sie besuchen würde. Nur eine einzige Sache machte ihr Sorgen, nämlich, dass das Biest, jedes Mal, bevor es ging, fragte ob Belle seine Frau werden wolle. Und dass es ganz von Schmerz gequält wurde, wenn sie „Nein“ dazu sagte. Eines Tages entdeckte Belle auf ihren Streifzügen durch das Schloss einen Spiegel über welchem geschrieben stand: „Wünschen sie, befehlen sie. Sie sind hier die Königin und Frau!“
Ach“, dachte Belle da mit Seufzen, „ich wünschte nichts weiter, als dass ich meinen lieben Vater wiedersehen könnte!“ Wie erstaunt war sie da, als sie auf dem großen Spiegel mit einem Mal das Haus ihres Vaters erblickte. Und sie sah, dass ihr Vater über ihren Verlust vor Kummer krank geworden war. Am Abend bat sie das Biest inständig darum, ihren Vater besuchen zu dürfen: „Liebes Bist, schlage mir meine Bitte nicht ab. Ich muss meinen Vater wiedersehen, sonst sterbe ich vor Kummer.“ „Lieber sterbe ich selbst“, sprach da das Biest, „als dir Kummer zu verursachen. Ich will dich also zu deinem Vater schicken. Doch du wirst nicht zu mir zurückkehren und ich werde vor Schmerz darüber sterben.“ „Ich verspreche dir in acht Tagen zurückzukehren“ rief Belle unter Tränen. „So soll es denn sein“ sagte das Biest seufzend, „Morgen wirst du abreisen. Wenn du zu mir zurückkehren willst, musst du nur diesen Ring auf einen Tisch legen und es wird geschehen. Leb wohl, Belle!“ Als Belle am nächsten Morgen erwachte befand sie sich in dem Haus ihres Vaters, in ihrem alten Bett. Sofort sprang sie auf und eilte zu ihrem Vater, der sich vor Freude kaum halten konnte seine geliebte Tochter wiederzusehen. Die ganze Familie war erstaunt darüber Belle so glücklich und schön wie den junge Morgen vor sich zu sehen. Man sah ihr an, dass es ihr sehr wohl erging in dem Schloss des Biests. Ihre beiden Schwestern, welche ihr das Glück neideten begannen finstre Pläne zu schmieden: „Wie kommt es an, dass sie glücklicher ist als wir beide zusammen“, sprachen sie zueinander, „Wir wollen sie dazu bringen, länger als acht Tage bei uns zu bleiben. Darüber wird sich ihr Biest so sehr erzürnen, dass es sie zerreisen wird.“ Nachdem sie diesen Entschluss gefasst hatten, erwiesen sie ihrer Schwester so viel Liebe und Freundschaft dass Belle vor Freude darüber weinte. Als die acht Tage vorbei waren, stellten sich die Schwestern so betrübt, dass Belle versprach noch acht Tage zu bleiben. Aber dann dachte Belle voll Kummer an ihr geliebtes Biest und es wurden ihr Zeit und Weile lang, weil sie es nicht mehr sehen konnte. In der zehnten Nacht träumte ihr, sie wäre im Garten des Schlosses und sähe das Biest unter den Bäumen liegen und es wolle in diesem Augenblick sterben. Darüber wachte Belle weinend auf: „Wie boshaft bin ich“, sagte sie, „Wie kann ich meinem Biest Kummer verursachen, wo es doch so lieb zu mir war! Es ist nicht seine Schuld, dass es hässlich ist. Es ist besser als jeder Mensch in dieser Welt. Warum habe ich das Biest nicht heiraten wollen. Es würde mich glücklicher machen als jeder andere.“ Mit diesen Worten legte Belle den Ring auf den Tisch und ging wieder zu Bett. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, sah sie voller Freude, dass sie wieder im Schloss ihres Biestes war. Sofort sprang sie aus dem Bett, lief in den Saal und wartete ungeduldig bis zu der Stunde in welcher das Biest sie gewöhnlich besuchte. Aber das Biest erschien nicht. Nachdem sie es vergeblich überall im Schloss gesucht hatte, erinnerte sie sich an den Traum und eilte in den Garten. Dort fand sie das Biest unter den Bäumen liegen. Sein Herz schlug noch, so nahm Belle Wasser und goss es ihm sacht auf den Kopf. Da schlug das Biest die Augen auf: „Du hast dein Versprechen vergessen. Ohne dich will ich nicht leben. Aber wenigstens darf ich dich noch ein letztes Mal sehen!“ „Nein, nein, liebes Biest. Du sollst nicht sterben!“ rief Belle verzweifelt, „Du sollst leben und mein Ehemann werden. Ich will die Deine sein, denn ich könnte nicht leben, ohne dich zu sehen.“ Kaum hatte Belle diese Worte gesprochen, da erstrahlte das ganze Schloss in strahlendem Licht und Feuerwerk. Wie groß war nun Belles Erstaunen: Das Biest war verschwunden, und sie sah an seiner Statt einen Prinzen, schöner als die Liebe selbst, an ihrer Seite liegen. Er erhob sich, reichte ihr den Arm und führte sie ins Schloss. Und in dem großen Saale erwartete sie bereits die ganze Dienerschaft, welche von dem bösen Zauber unter dem auch der Prinz gestanden hatte erlöst waren. Da trat die schöne Dame, welche Belle einst in ihrem Traum gesehen hatte und eine mächtige Fee war, heran und sprach: „Belle, hier empfängst du nun deine Belohnung!“ Da schloss das Biest, welches nun ein Prinz war, Belle fest in seine Arme. Die beiden feierten Hochzeit und waren sehr glücklich miteinander. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. 
©zissa

nach dem französichen Märchen in der Version von 
Jeanne-Marie Leprince de Beaumont

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