John Duncan "Yorinda and Yoringel in the Witch´s Wood" |
Es war einmal ein altes Schloss mitten in einem großen dicken Wald, darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Katze oder zur Nachteule, des Abends aber wurde sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die Vögel herbeilocken, und dann schlachtete sie, kochte und briet es. Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schloss nahe kam, so musste er stillestehen und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, bis sie ihn lossprach; wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreis kam, so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel und sperrte sie
dann in einen Korb ein und trug den Korb in eine Kammer des Schlosses. Sie hatte wohl siebentausend solcher Körbe mit so raren Vögeln im Schlosse. Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß Jorinde; sie war schöner als alle andere Mädchen. Die und dann ein gar schöner Jüngling namens Joringel hatten sich zusammen versprochen. Sie waren in den Brauttagen, und sie hatten ihr größtes Vergnügen eins am andern. Damit sie nun einsmalen vertraut zusammen reden könnten, gingen sie in den Wald spazieren. »Hüte dich«, sagte Joringel, »daß du nicht so nahe ans Schloss kommst.« Es war ein schöner Abend, die Sonne schien zwischen den Stämmen der Bäume hell ins dunkle Grün des Waldes, und die Turteltaube sang kläglich auf den alten Maibuchen. Jorinde weinte zuweilen, setzte sich hin im Sonnenschein und klagte: Joringel klagte auch. Sie waren so bestürzt, als wenn sie hätten sterben sollen; sie sahen sich um, waren irre und wussten nicht, wohin sie nach Hause gehen sollten. Noch halb stand die Sonne über dem Berg, und halb war sie unter. Joringel sah durchs Gebüsch und sah die alte Mauer des Schlosses nah bei sich; er erschrak und wurde todbang. Jorinde sang:
"Mein
Vöglein mit dem Ringlein rot
singt Leide, Leide, Leide:
es singt dem Täubelein seinen Tod,
singt Leide, Lei - zicküth, zicküth, zicküth."
singt Leide, Leide, Leide:
es singt dem Täubelein seinen Tod,
singt Leide, Lei - zicküth, zicküth, zicküth."
Joringel
sah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt, die sang
zicküth, zicküth. Eine Nachteule mit glühenden Augen flog dreimal
um sie herum und schrie dreimal schu, hu, hu, hu. Joringel konnte
sich nicht regen.- er stand da wie ein Stein, konnte nicht weinen,
nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter; die
Eule flog in einen Strauch, und gleich darauf kam eine alte krumme
Frau aus diesem hervor, gelb und mager: große rote Augen, krumme
Nase, die mit der Spitze ans Kinn reichte. Sie murmelte, fing die
Nachtigall und trug sie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts
sagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war fort. Endlich
kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer Stimme: »Grüß dich,
Zachiel, wenn's Möndel ins Körbel scheint, bind lose Zachiel, zu
guter Stund.« Da wurde Joringel los. Er fiel vor dem Weib auf die
Knie und bat, sie möchte ihm seine Jorinde wiedergeben, aber sie
sagte, er sollte sie nie wiederhaben, und ging fort. Er rief, er
weinte, er jammerte, aber alles umsonst. »Uu, was soll mir
geschehen?« Joringel ging fort und kam endlich in ein fremdes Dorf;
da hütete er die Schafe lange Zeit. Oft ging er rund um das Schloss
herum, aber nicht zu nahe dabei. Endlich träumte er einmal des
Nachts, er fände eine blutrote Blume, in deren Mitte eine schöne
große Perle war. Die Blume brach er ab, ging damit zum Schlosse:
alles, was er mit der Blume berührte, ward von der Zauberei frei;
auch träumte er, er hätte seine Jorinde dadurch wiederbekommen. Des
Morgens, als er erwachte, fing er an, durch Berg und Tal zu suchen,
ob er eine solche Blume fände; er suchte bis an den neunten Tag, da
fand er die blutrote Blume am Morgen früh. In der Mitte war ein
großer Tautropfe, so groß wie die schönste Perle. Diese Blume trug
er Tag und Nacht bis zum Schloss. Wie er auf hundert Schritt nahe bis
zum Schloss kam, da ward er nicht fest, sondern ging fort bis ans
Tor. Joringel freute sich hoch, berührte die Pforte mit der Blume,
und sie sprang auf. Er ging hinein, durch den Hof, horchte, wo er die
vielen Vögel vernähme; endlich hörte er's. Er ging und fand den
Saal, darauf war die Zauberin und fütterte die Vögel in den
siebentausend Körben. Wie sie den Joringel sah, ward sie bös, sehr
bös, schalt, spie Gift und Galle gegen ihn aus, aber sie konnte auf
zwei Schritte nicht an ihn kommen. Er kehrte sich nicht an sie und
ging, besah die Körbe mit den Vögeln; da waren aber viele hundert
Nachtigallen, wie sollte er nun seine Jorinde wiederfinden? indem er
so zusah, merkte er, dass die Alte heimlich ein Körbchen mit einem
Vogel wegnahm und damit nach der Türe ging. Flugs sprang er hinzu,
berührte das Körbchen mit der Blume und auch das alte Weib- nun
konnte sie nichts mehr zaubern, und Jorinde stand da, hatte ihn um
den Hals gefasst, so schön, wie sie ehemals war. Da machte er auch
alle die andern Vögel wieder zu Jungfrauen, und da ging er mit
seiner Jorinde nach Hause, und sie lebten lange vergnügt zusammen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen