Die
schöne Moira war die Tochter eines Grafen aus dem schottischen
Unterland, der in seinem grauen Schloss inmitten grüner Weiden
lebte. Eines Tages wurde es Moira zu langweilig immer nur in ihrem
Zimmer zu nähen oder mit den Hofdamen ihres Vaters Schach zu
spielen. So nahm sie ihren moosgrünen Umhang über die Schulter,
flocht ihr rotes Haar zu einem Zopf und ging aus um die Wälder von
Carterhaugh zu durchstreifen. Sie wanderte bei Sonnenschein durch
ruhige, grasbewachsene Täler voll grüner Schatten, wo wilde
Heckenrosen und Glockenblumen wuchsen. An einem der
Heckenrosensträucher machte sie halt und streckte ihre Hand aus,
pflückte eine blasse Rose und steckte sie sich ihren Gürtel an die
Hüfte. Kaum hatte sie das getan, als ein junger Mann hinter dem
Strauch hervor trat. "Wie kannst du es wagen die Rosen von
Carterhaugh zu pflücken?" fragte er Moira. Erschrocken wich sie
zurück. "Ich habe mir nichts dabei gedacht!" "Ich bin
der Wächter dieser Wälder und muss aufpassen, dass niemand ihren
Frieden stört!" Dann lächelte er plötzlich wie jemand, der
lange nicht gelächelt hat, brach eine weitere Rose ab uns steckte
sie Moira zu der anderen. "Jemandem wie dir würde ich alle
Rosen von Carterhaugh geben." sagte er. "Wer bist du?"
fragte Moira. "Mein Name ist Tam Lin" antwortete der junge
Mann. Erschrocken warf sie die Rosen von sich und rief:"Von dir
habe ich gehört. Du bist ein Feenritter!" "Du brauchst
keine Angst zu haben", sagte Tam Lin, "wenn man mich auch
Feenritter nennt, so bin ich doch als sterblicher Mensch geboren
worden, wie du auch." Moira hörte verwundert zu, als er ihr
seine Geschichte erzählte. "Mein Vater und meine Mutter
starben, als ich noch ein Kind war. Mein Großvater, der Graf von
Roxburgh, nahm mich zu sich. Eines Tages waren wir in diesem Wald auf
der Jagd, als ein seltsamer kalter Wind aus dem Norden kam. Ich wurde
sehr müde. Ich blieb hinter meinen Gefährten zurück und stürzte
schließlich von meinem Pferd. Als ich erwachte, befand ich mich im
Reich der Feen. Die Feenkönigin war gekommen, um mich zu stehlen,
als ich schlief." Hier hielt Tam Lin inne und es war, als denke
er an das grüne verzauberte Land. "Und seither" fuhr er
fort "stehe ich unter dem Bann der Feenkönigin. Am Tage wache
ich über die Wälder von Carterhaugh und in der Nacht kehre ich ins
Feenreich zurück. O, Moira, wie gerne würde ich wieder in das Leben
eines gewöhnlichen Sterblichen zurückkehren. Ich wünschte von
ganzem Herzen, ich käme aus der Verzauberung los." Er sagte das
so unglücklich, dass Moira ohne zu zögern fragte: "Und gibt es
denn keine Möglichkeit, den Zauber zu brechen?" Da fasste Tam
Lin sie bei den Händen und sprach: "Heute ist Beltaine, in
dieser Nacht der Nächte, kann es erreicht werden, wenn man es
versuchen will. Denn zu Beltaine reitet das Feenvolk aus und ich
reite mit ihnen." "Ich werde kommen um dir zu helfen!"
sagte Moira "Denn gar zu gerne würde ich das tun." "Wenn
Mitternacht kommt musst du zum Kreuzweg gehen und dort warten, bis
der Zug der Feen vorbeikommt. Reitet die erste Gruppe heran, so
kümmere dich nicht um sie, sondern lasse sie vorüber, auch die
zweite Gruppe musst du nicht beachten. Ich werde in der dritten
Gruppe reiten. Mein Pferd ist eine milchweiße Stute und auf dem Kopf
trage ich einen goldenen Reif. Dann lauf auf mich zu, reiß mich vom
Pferd und nimm mich fest in deine Arme, so fest, dass ich in deiner
Brust dein Herz spüren kann. Was immer dann auch geschieht, halte
mich fest und las mich nicht los. Nur so kannst du mich zu den
Sterblichen zurückholen. Und so tat sie denn, wie ihr gesagt worden
war. Kurz vor zwölf in dieser Nacht eilte die schöne Moira zum
Kreuzweg und wartete dort im Schatten eines Dornenbuschs. Die Bäche
glitzerten im Mondlicht, die Büsche warfen seltsame Schatten und der
Wind raschelte unruhig durch das Laub der Bäume. Ganz schwach hörte
sie den Klang der Hufe und das Geräusch von Lederzeug. Da wusste
sie, dass die Feenpferde unterwegs waren. Sie fror und nahm ihren
Mantel fester um die Schultern und schaute die Straße abwartend
hinunter. Zuerst sah sie das Blitzen eines silbernen Zaumzeugs, dann
den weißen Blitz auf der Stirn eines Pferde, das zuerst kam. Bald
war der ganze Feenzug zu sehen. Die Reiter hatten ihre schönen
Gesichter zum Mond gewandt, und Feenlocken wehten hinter ihnen drein,
als sie dahin ritten. Als die erste Abteilung vorbeikam, bei der sich
die Feenkönigin auf einer schwarzen Stute befand, verhielt sie sich
ganz still. Auch bei der zweiten Gruppe rührte sie sich nicht. Dann
kam die dritte Abteilung, und sie entdeckte das milchweiße Pferd auf
dem Tam Lin saß. Sie sah auch den Goldreif in seinem Haar. Da sprang
sie aus dem Schatten hervor, griff die Zügel, zerrte den jungen Mann
aus dem Sattel in ihre Arme und presste seinen Kopf an ihre Brust.
Sofort erhob sich ein Geschrei: "Tam Lin ist verschwunden!"
Auf ihrem Rappen kam die Feenkönigin angeprescht. Sie wandte sich um
und richtete ihre schönen unmenschlichen Augen auf Moira und Tam
Lin. Der Zauber der Feenkönigin traf Tam Lin, er wurde kleiner und
kleiner und plötzlich merkte Moira, dass sie eine Eidechse an ihrem
Busen hielt. Aus der Eidechse wurde eine schlüpfrige Schlange. Sie
hatte Mühe das Tier festzuhalten. Der Schreck rann ihr durch die
Glieder, als sich die Schlange in ein rotglühendes Eisen verwandelt.
Tränen der Furcht rannen Moira über die Wangen, aber sie drückte
Tam Lin an sich und ließ ihn nicht gehen. Da wusste die Feenkönigin,
dass sie Tam Lin verloren geben musste, weil er die unnachgiebige
Liebe einer sterblichen Frau gewonnen hatte und sie verwandelte ihn
in seine ursprüngliche Gestalt zurück. Moira hielt plötzlich einen
Mann umfangen, der nackt war, so wie er auf die Welt gekommen war aus
dem Schoss seiner Mutter. Das Feenvolk hielt noch einmal an. Eine
schmale grüne Hand schob sich vor und führte die milchweiße Stute
fort, die Tam Lin geritten hatte. Dabei brach die Feenkönigin in
bitteres Wehklagen aus: "Der schönste Ritter aus meinem Zug ist
verloren an die Welt der Sterblichen. Adieu
Tam Lin. Hätte ich
gewusst, dass sich eine sterbliche Frau in dich verlieben würde, ich
hätte ihr das Herz aus der Brust gerissen und ihr ein Herz aus Stein
dafür eingesetzt. Hätte ich gewusst, dass die schöne Moira aus
Carterhaugh kommt, ich hätte ihr ihre hübschen Augen aus dem Kopf
gekratzt und ihr stattdessen ein Paar Holzaugen angehext." Als
sie das rief, begann es hell zu werden und mit einem unheimlichen
Schrei gaben die Reiter ihren Pferden die Sporen und verschwanden.
Tam Lin aber küsste Moiras verbrannte Hände und zusammen liefen sie
zu dem grauen Schloss, wo Moiras Vater wohnte.
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