Mabon
(Mejbun),
das Kind des Lichtes, der liebliche Sohn der Sonne, war seiner Mutter
Modron gestohlen worden. Und Modron, die Beschützerin der Erde,
verzagte vor Kummer und Gramm, sie konnten ihren kleinen Sohn nicht
mehr finden. Sie weinte, weinte und vergoss tausend Tränen. Wo war
Mabon, ihr liebes Kind? Er war doch noch so klein, nur drei Jahre
alt. Niemand vermochte es zu sagen. Er war vom Angesicht der Mutter
Erde verschwunden, wie das Sommergrün mit dem Einzug des Winters
verschwindet. Nicht mehr länger lachte und spielte er im hellen
Sonnenschein, er der junge liebliche Sonnengott. Sein Licht war
verborgen. Die Dunkelheit hatte ihn verschlungen und hielt in
versteckt. Alles Suchen nach ihm blieb vergeblich. Da sandte
König Arthur seine vier fähigsten Ritter, Kyllwch
(Keschluk), Cei
(Ke-i),
Eidoel (Aidul)
und Gwrhyr
(Gowhier) mit
Namen, aus um in der Ferne nach Mabon zu suchen oder jemanden zu
finden, welcher ihnen sagen konnte, wo sich Mabon befand. Nach langer
Zeit der Suche kamen die vier Ritter schließlich in die Heimat des
ältesten Vogels der Welt, der Amsel. Gwrhyr, welcher die Gabe besaß
alle Sprachen der Welt, die der Tiere und die der Menschen zu
verstehen und zu sprechen, rief: Liebe Amsel, wir sind König Arthurs
Ritter und wollen dich darum bitten uns zu sagen, ob du etwas von
Mabon, dem Sohn der Göttin Modron gehört hast, da man ihn seiner
Mutter gestohlen hat, als er nur drei Jahre zählte. „Ich lebe
schon seit langer Zeit hier“ sprach die Amsel „und als ich
hierher kam, war ich noch ein sehr kleiner und junger Vogel, aber in
all der langen Zeit habe ich niemals etwas von Mabon, dem Sohn der
Göttin Modron gehört. Doch ich will euch helfen, Ritter König
Arthurs, ich will euch zu einem Ort geleiten, an welchem ein Tier
lebt, welches noch viel älter ist als ich selbst es bin.“ So
führte die Amsel die Männer in einen tiefen Wald, wo sie in die
Heimat des Hirsches kamen. Der Hirsch war eines der ältesten Tiere
der Welt und sein Geweih wuchs wie der Wald selbst auf seinem Kopf
und besaß so viele Enden wie der Wald Bäume hat. „Lieber Hirsch“
sprach Gwrhyr, welcher auch die Sprache der Hirsche zu sprechen
vermochte „ Wir sind König Arthurs Ritter und wollen dich darum
bitten uns zu sagen, ob du etwas von Mabon, dem Sohn der Göttin
Modron gehört hast, da man ihn seiner Mutter gestohlen hat, als er
nur drei Jahre zählte.“ „Ich lebe nun schon eine lange, lange
Zeit hier“ sprach der Hirsch „und als ich hierher kam besaß ich
doch gerade erst zwei kleine Geweihspitzen, eine auf jeder Seite
meines Kopfes. Und es gab nur eine einzige kleine Eiche, aus welcher
nun dieser herrliche große Wald erwachsen ist. Und die Eiche selbst
ist nun uralt und wohl hundert Fuß hoch. In all der langen Zeit,
habe ich niemals etwas von Mabon, dem Sohn der Göttin Modron gehört.
Doch ich will euch helfen, Ritter König Arthurs, ich will euch zu
einem Ort begleiten, an welchem ein Tier lebt, welches noch viel
älter ist als ich selbst es bin.“ So geleitete der Hirsch die
Männer in die Tiefen des mächtigen Waldes, bis sie an seine
dunkelste und geheimnisvollste Stelle kamen, wo die Eule lebte.
„Liebe Eule“ sprach Gwryhr in der Sprache der Eulen „ Als
Ritter König Arthurs kommen wir zu dir und wollen dich darum bitten
uns zu sagen, ob du etwas von Mabon, dem Sohn der Göttin Modron
gehört hast, da man ihn seiner Mutter gestohlen hat, als er nur drei
Jahre zählte.“ „Seit einer langen, langen Zeit lebe ich nur
hier“ sprach die Eule „ als junger Vogel kam ich in diesen
uralten Wald und es kamen Menschen, die fällten alle Bäume des
Tales, ein neuer Wald erwuchs daraufhin und die Menschen fällten
erneut alle Bäume. Dies nun ist der dritte Wald, welcher in dieser
Zeit erwachsen ist. Seht mich an, ich bin eine alte Eule, meine
Flügel vermögen kaum noch mich zu tragen, aber in all der langen
Zeit, habe ich niemals etwas von Mabon, dem Sohn der Göttin Modron
gehört. Doch will ich euch helfen, Ritter König Arthurs, ich will
euch zu einem Ort führen, an welchem ein Tier lebt, welches noch
viel älter ist als ich selbst es bin.“ So gelangten sie unter der
Eule Führung auf die Spitze eines hohen Berges, in die Heimat des
Adlers. „Lieber Adler“ sprach Gwrhyr in den Worten der Adler,
„Als Ritter König Arthurs kommen wir zu dir und wollen dich darum
bitten, uns zu sagen, ob du etwas von Mabon, dem Sohn der Göttin
Modron gehört hast, da man ihn seiner Mutter gestohlen hat, als er
nur drei Jahre zählte.“ „Seit langer Zeit lebe ich nun hier“
sprach der Adler „als ich hierher kam, war der Berg so hoch, dass
ich von seiner Spitze aus die Sterne berühren konnte. Mit der Zeit
aber wurde der Berg kleiner und kleiner, und in all diesen
ungezählten Jahren, habe ich niemals etwas von Mabon, dem Sohn der
Göttin Modron gehört.“ Die vier Ritter waren nun sehr enttäuscht
und fürchteten schon an Arthurs Hof zurückkehren zu müssen, ohne
ihren Auftrag erfüllt zu haben. Sie dachten an den armen
Mabon, welcher für immer an ungewissem Orte eingesperrt bleiben
würde. Da erhob der Adler erneut das Wort: „Ich erinnere mich
jedoch an etwas. Einst flog ich auf der Suche nach Beute über das
Tal der Seen, da sah ich einen großen silberglänzenden Lachs in
einem der Seen schwimmen. Schon stieß ich vom Himmel herab um ihn
mit meinen Klauen zu ergreifen, voll Freude auf den guten Happen, den
er abgeben würde. Doch als ich ihn erfasste, erkannte ich, dass der
Lachs große Kräfte besaß, denn er zog mich unter Wasser und fast
wäre ich selbst ertrunken. Seit dieser Zeit, sind wir beide Freunde.
Er ist das älteste und weiseste Tier der Erde und wenn er nicht
weiß, wo Mabon sich befindet, so weiß es wohl niemand. Ich will
euch zu seinem See führen, Ritter König Arthurs.“ So brachte der
Adler sie zu einem Fluss, welcher sie direkt zu dem See führte, in
welchem der große silberfarbene Lachs in klarem reinem Wasser
schwamm. „Lieber Lachs“ sprach Gwrhyr „Als Ritter König
Arthurs kommen wir zu dir und wollen dich darum bitten, uns zu sagen,
ob du etwas von Mabon, dem Sohn der Göttin Modron gehört hast, da
man ihn seiner Mutter gestohlen hat, als er nur drei Jahre zählte.“
„Das habe ich wohl“ sagte darauf der Lachs „Wenn der Fluss
Hochwasser trägt, reise ich gewöhnlich zum Schloss Caer Llowy
hinauf, dort hörte ich eines Tages das traurigste Weinen, welches
ich je in meinem Leben vernommen habe. Zwei von euch Rittern können
auf meinen Rücken steigen und ich will euch an eben jenen Ort
bringen.“ Da bestiegen Gwrhyr und Cai den Rücken der Lachses und
er brachte sie den Fluss hinauf bis zum Schloss Caer Llowy. Das
Schloss war von einer riesigen und unüberwindbaren dunklen Mauer
umgeben und von dort erklang das jammervollste und herzzerreißendste
Weinen, welches sie je vernommen hatten. „Wer ist es der dort weint
und jammert“ rief Gwrhyr. „Ich bin es, Mabon, Sohn der Modron“
lautete die Antwort, „Und ich weine und jammere, weil ich in den
dunklen Mauern dieser Burg gefangen gehalten werde. Und befreien kann
man mich nur durch Schlacht und Kampf.“ „Hab Mut, Mabon“ rief
Gwrhyr „wir werden alle Ritter König Arthurs zu Hilfe holen und
dich schon bald befreien.“ So kehrten die vier Ritter eilends an
Arthurs Hof zurück und berichteten dem König was sie gehört
hatten. So schickte Arthur sein ganzes Heer aus und mit aller Macht
brachen die Ritter sich einen Weg durch die dunklen Mauern des
Schlosses am Wasserfall. Es gab eine große Schlacht und wildes
Kampfgetümmel in den dunklen Schatten des Schlosses. Doch
schließlich bezwangen die tapferen Ritter ihre Widersacher. So
endlich konnte Mabon, der Sohn der Göttin Modron, befreit werden und
wurde den Armen seiner überglücklichen Mutter zurückgegeben.
©zissa
©zissa
nach
einem walisischen Märchen
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