Einst
lebte in Irland eine wunderschöne Königstochter namens Etain
(Eh-tin), die Strahlende. Etain war von der selben Schönheit wie die
Sonne, ihr goldenes Haar glich fein gesponnenem Sommerkorn. Ihre
Augen glühten wie die blauen Kornblumen im Feld. Ihr Mund glich dem
roten Mohn der lieblich wie ein Schmetterling in der flirrenden Brise
tanzt. Erblickte jemand etwas, dass er für schön hielt, wollte man
es nicht als schön bezeichnen, bis man es nicht mit Etain verglichen
und festgestellt hatte, dass nichts und niemand so herrlich war wie
sie. So kam es, dass Midir (Mei-ter), der Herr der Feen, sich
unsterblich in sie verliebte als er sie zum ersten Mal erblickte und
schließlich um ihre Hand anhielt. Etains Vater, welcher seine
Tochter sehr liebte, wollte sie dem Feenprinzen jedoch nicht ohne
guten Grund zur Frau geben und stellte diesen auf die Probe. Drei,
von wilden Wäldern überwucherte und unwegsame Landstriche sollte
Midir roden, so dass des Königs Schafe darauf würden weiden können.
Mit der Hilfe des Dagda, des Guten Gottes, gelang es Midir diese
Aufgabe zu erfüllen und am nächsten Morgen waren die drei
Landstriche von allem Wildwuchs befreit und die Schafe des Königs
weideten dort. Jedoch wollte sich Etains Vater damit noch nicht
zufrieden geben und so stellte er den Feenprinzen auf eine weitere
Probe. Aus des Königs Land sollte Midir zwölf Flüsse entspringen
lassen, wo noch niemals Wasser dem Schoss der Erde entsprungen war.
Diese Flüsse müssten die Menschen mit Fischen versorgen und das
Land wässern und fruchtbar machen. Mit der Hilfe des Dagda, des
Guten Gottes, gelang es Midir auch diese Aufgabe zu erfüllen und am
nächsten Morgen waren da zwölf klare Flüsse voller Fische, wo
vorher keine gewesen waren. Und sie wässerten das Land und machten
es fruchtbar. Ein letztes Mal wollte Etains Vater den Feenprinzen auf
die Probe stellen und so forderte er von Midir, dass er ihm Gold und
Silber bringen möge, so viel, das man damit Etains Gewicht würde
aufwiegen können. Und mit der Hilfe des Dagda, des Guten
Gottes, vermochte Midir auch diese Aufgabe zu erfüllen. Er brachte
dem König so viel Gold und Silber, dass es leicht Etains Gewicht und
mehr aufwog. So wurde Etain schließlich und endlich dem Feenprinzen
zur Frau gegeben. Als man sie zu ihm brachte, schloss Midir sie
glücklich in die Arme und hob sie auf sein weißes Pferd. Gemeinsam
machten sie sich auf den Weg in Midirs Reich, ins Land der Feen,
welches man durch die grünen Feenhügel im Westen betritt. Auch
Etains Herz war voller Freude und Liebe, denn ihr neuer Mann gefiel
ihr sehr gut und sie war entzückt von dem Gedanken nun selbst zum
Volk der Feen zu gehören. Kurz bevor sie die Feenhügel und die
versteckten Pforten des Feenreiches erreichten, küsste Midir Etain
zärtlich auf die Stirn und sprach in der alten Sprache der Feen
einen machtvollen Zauber über sie. Auch Etain sollte von nun an die
Gabe besitzen, die Nebel zwischen den Welten um sich zu ziehen. Als
Gemahlin des Feenprinzen vermochte sie nun sich vor den Augen der
Menschen zu verbergen und sich unsichtbar zu machen, wann immer sie
wollte. Zusammen passierten beide das Tor ins Feenland und Midir
zeigte Etain stolz sein Reich, ein Ort wunderschöner blühender
Gärten mit Hainen voller Obstbäume und lustig vor sich hin
plätschernder Quellen. Midirs Schloss war aus silberweißem
Mondstein gebaut und besaß hohe aus edlen Hölzern gezimmerte
Bogenfenster. Überallhin führte er Etain, bis sie zu müde war noch
einen Schritt zu tun. Da verabschiedete Midir sich von seiner
Gemahlin und bat eine der Feenfrauen, Fuamnach (Fuaimnek) mit Namen,
darum Etain in ihre Gemächer zu bringen. Fuamnach jedoch war
eifersüchtig auf Etain, da sie selbst in Midir verliebt war und
seine Frau hatte werden wollen. Sie war auch eine mächtige Zauberin
und so verwandelte sie Etain, als sie diese in ihr Gemach geführte
hatte mit bösen Zauberworten in einen kleinen dunklen See aus
perlendem Wasser. So lag nun Etain verwandelt als Wasserpfütze
mitten im Raum und Midir konnte sie nicht erkennen. Da verlies er das
Schloss um sie in den Gärten zu finden, doch auch dort gab es keine
Spur von seiner geliebten Frau und so zog er schließlich aus in die
Welt um sie in der Ferne zu suchen. Lange Zeit verweilte Etain in der
Gestalt des kleinen Sees in ihrem Gemach. Dann begann sie sich durch
die Wärme des Feuers im Kamin, durch die Bewegungen der Luft und den
sanften Druck der Erde unter sich in einen winzigen kleinen Wurm zu
verwandeln. Mühsam kroch sie als Würmchen in den Garten des
Feenpalastes um dort von den grünen Pflanzen zu kosten. Sie hatte
großen Hunger. Als sie sich satt gegessen hatte begann sie sich in
einen kleinen seidenen Kokon zu verspinnen. Darin schlief sie sieben
Tag lang und als sie erwachte, brach sie sich durch den Kokon und war
zu einem herrlichen Schmetterling geworden. Ihre Stimme war das
süßeste Zirpen der Zikaden und ihre lieblichen Augen glänzten
wie Edelsteine. Sie breitete ihre regenbogenfunkelnden Flügel aus
und flog auf und davon in die Welt hinaus. Schließlich fand sie
ihren lieben Midir und flüsterte ihm ins Ohr was geschehen war: „Ich
bin es, deine Etain. Ich habe mich in einen Schmetterling
verwandelt.“ Da erkannte Midir seine geliebte Frau Etain und
die beiden blieben zusammen und liebten sich auch täglich mehr.
Midir wünschte sich keine andere Frau auf Erden, denn er liebte
Etain auch in der Gestalt eines Schmetterlings und täglich erwachte
er mit ihrem lieblichen Gesang und schlief mit ihrem zärtlichen
Flügelschlag ein. Nun geschah es, dass es Fuamnach, der
eifersüchtigen Feenfrau, gelang den kleinen Schmetterling
einzufangen, böse sprach sie: „Ich weiß, dass du Etain bist und
das Midir dich noch immer liebt. Ich kann es nicht ertragen dich an
seiner Seite zu sehen.“ Da entfachte sie mit Magie einen mächtigen
Wind, welcher brauste und blies und Etain weit, weit weg wehte.
Sieben Jahre lang wurde Etain, als kleiner Schmetterling, durch die
Welt getragen und konnte weder Rast einlegen, noch Schlaf finden. Der
Wind trieb sie beständig an. Über alle Meere und Länder flogen sie
und Etain blieb nichts anderes übrig als sich vom Wind dorthin
führen zu lassen, wohin er Lust hatte sie zu wehen. Da wurde
Etain mit der Zeit sehr traurig und dachte bei sich: „Ich will
nicht mein ganzes Leben lang fliegen und mich umhertreiben lassen
müssen. Wie innig wünschte ich mir wieder ein richtiges Leben
führen zu können. Wie sehne ich mich nach einem neuen Dasein auf
der Erde.“ So kam es, dass der Wind sie schon bald in die Burg
eines sehr ehrbaren Ritters führte. Dessen Frau saß gerade an der
Tafel und speiste ihr Abendmahl. Und der Wind lies die kleine Etain
direkt in den Kelch auf dem Tisch fallen. Da hob die Frau den Kelch
und führte ihn an die Lippen und - ohne dass sie es gemerkt hätte -
trank sie von dem süßen Wein und schluckte Etain mitsamt dem Trank
hinab. Etain fühlt wie sie in dem warmen Frauenkörper nach unten
sank und weich zu liegen kam. Ihre Augen begannen zuzufallen, sie
wurde müde. Unsagbar müde und schon bald darauf, war sie tief und
fest eingeschlafen. Neun Monate darauf gebar die Frau dem Ritter ein
wunderschönes und allerliebstes Töchterchen. So kam es, dass Etain,
als Menschenkind wiedergeboren, als glückliches Kind im Kreise ihrer
liebevollen und zärtlichen Familie aufwuchs und endlich wieder auf
Irlands schöner Erde wandeln konnte. Als Etain groß war, wollte ihr
Vater sie verheiraten und so richtete er festliche Spiel aus, in
welchen alle Ritter und Edelmänner des Landes drei Aufgaben erfüllen
mussten um so einen Kuss von Etain und ihre Hand gewinnen zu können.
Auch Midir, der Feenprinz, kam zur Burg von Etains Vater um sein
Glück zu versuchen. Er wusste wohl, dass es sich bei der Tochter des
Ritters um seine lange verschollene Gemahlin handelte. Etain jedoch
erkannte ihn nicht. Schließlich, nachdem alle anderen Edelmänner
gescheitert waren, gelang es Midir die drei Aufgaben zu erfüllen. Er
beugte sein Gesicht und Etain gab ihm den versprochenen Kuss und in
diesem Moment – als sich ihre Lippen berührten – erkannte sie in
ihm ihre geliebten Gemahl wieder. Da verwandelten sich die beiden in
zwei weiße Schwäne und sie flogen gemeinsam von einem goldenen Band
aneinander gebunden zurück in Midirs Feenreich.
©zissa
nach
einem irischen Märchen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen