Einst
lebte die große Göttin Cerridwen mit ihren Kindern Creidwy (Kriäri)
und Morfan auf der Insel Pwellyn. Creidwy war die schönste und
lieblichste Jungfrau die man sich nur vorstellen kann. Ihr Bruder
Morfan aber, der Ärmste, war so hässlich, dass all ihn nur
„Afagddu“ (Abosi) nannten, was bedeutet „tiefste Finsternis“.
Sein Körper war so behaart wie ein Hirsch und zu allem Überfluss
hatte er ein so schlechtes und unmögliches Benehmen, dass keiner
sich mit ihm abgeben wollte. Cerridwen macht sich deswegen große
Sorgen um ihn und wollte ihrem Sohn helfen, da sie Angst hatte er
würde niemals Freunde finden. So beschloss sie einen Zaubertrank zu
brauen, welcher ihn nicht nur schön von Ansehen und Gestalt, sondern
auch weise und klug machen würde. Er sollte ein großer und
respektierter Zauberer werden, den alle verehrten. Cerridwens Trank
der Weisheit und der Inspiration musste, damit er wirken konnte,
genau ein Jahr und einen Tag lang über dem Feuer kochen. Die große
Göttin machte sich auf den Weg um Gewürze und magische Kräuter für
den Trank zu suchen, welche sie zu bestimmten Mond- und Jahreszeiten
pflücken musste, je nachdem wie sich die Planeten bewegten und wie
die Sterne standen hatte dies nämlich einen großen Einfluss auf die
Wirksamkeit der Pflanzen. So stellte Cerridwen einen alten blinden
Man und dessen Gehilfen den jungen Gwion in ihre Dienste. Die beiden
wachten Tag und Nacht über den Trank und rührten ihn um, während
Cerridwen sich auf der Suche nach den Kräutern befand. Gwion musste
das Feuer beständig schüren und Holzscheite schlagen und
abwechselnd mit dem Alten rührte er den Zaubertrank in Cerridwens
magischem Kessel. So vergingen dreizehn Monde und schließlich kam
der große Tag an welchem der Zaubertrank fertig war. Ceridwen hatte
die letzten Kräuter zugegeben und sie ging um ihren Sohn zu holen.
Doch da verbrannte Gwion sich plötzlich beim Rühren an einigen
Tropfen, welche ihm auf den Finger spritzten und ohne nachzudenken
lutschte er an seinem Finger um ihn abzukühlen. Im selben Moment
geschah etwas seltsames und die ganze Welt veränderte sich für den
jungen Gwion. Durch die drei Tropfen erhielt nämlich er an Stelle
von Afagddu das Wissen dieser Welt und alle Inspiration. Plötzlich
konnte Gwion alles hören was auf der Welt geschah. Er verstand
augenblicklich alle Geheimnisse des Lebens, die der Vergangenheit,
die der Gegenwart und die der Zukunft. Er wurde eins mit der Magie
und er wurde zum weisesten und mächtigsten aller Zauberer. Und es
wurde ihm auch klar, dass Cerridwen sich dafür bitter an ihm rächen
würde, da sie wütend wie ein Gewittersturm werden konnte. Als
Cerridwen zurückkam, sah sie sofort was geschehen war und wurde sehr
böse, denn nun musste ihr Sohn so hässlich und dumm bleiben wie er
war, und würde für immer alle in Angst und Schrecken versetzen. Und
sie stürzte sich auf Gwion, welcher zu fliehen versuchte. „Was
kann ich nur tun? Was kann ich tun?“ jammerte Gwion. Und da wusste
er mit einem Mal, dass er nun die Gabe besaß seine Gestalt zu ändern
oder sich unsichtbar zu machen. Eine Gabe die er durch den Trank
erhalten hatte. Und so verwandelte er sich, um Cerridwen zu
entkommen, in einen Hasen und lief so schnell wie der Wind. Cerridwen
aber wurde zu einem Windhund und blieb ihm auf den Fersen. Sie kam
näher und näher. „Oh, was kann ich nur tun? Was kann ich tun?“
jammerte Gwion. Da verwandelte sich Gwion am Ufer des Sees in einen
Fisch und schwamm schnell davon um sich im Schilf zu verstecken.
Cerridwen aber verwandelte sich in einen Fischotter und folgte ihm
blitzschnell. „Oh, was mach ich jetzt?“ jammerte Gwion. Er
tauchte auf und wurde zu einem Vogel und wollte davonfliegen. Aber
Cerridwen wurde zu einem Falken und setzte ihm mit weiten Schwingen
nach und schon bald würde sie ihn einholen und. „Was mache ich
jetzt nur? Ich werde ihr nie entwischen.“ jammerte Gwion. Da lies
er sich auf den Boden fallen, verwandelte sich in ein Weizenkorn und
lag mitten in einem großen Haufen von vielen anderen Weizenkörnern.
„Hier wird sie mich niemals finden“ dachte Gwion zufrieden „jetzt
bin ich in Sicherheit“ Doch Cerridwen verwandelte sich in eine
schwarze Henne und pickte Korn für Korn beiseite bis sie ihn
gefunden hatte. Sie schnappte ihn sich, schluckte das Korn hinunter
und verwandelte sich in ihre menschliche Gestalt zurück. Jetzt aber
trug sie Gwion als Samenkorn wie ein kleines Baby in sich und neun
Monate später gebar sie einen allerliebsten kleinen Sohn. Doch sie
war noch immer so zornig auf Gwion, dass sie ihn nicht behalten
wollte, so legte sie den schönen Jungen in einen kleinen mit Fell
ausgepolsterten Weidenkorb und setzte ihn auf dem Meer aus. Da trieb
Gwion dahin, bis der Korb im Schilf nahe der Burg Deganwy in Wales
hängen blieb. In diesem Jahr zur Samhainzeit kam Elphin, ein junger
Mann, auf der Suche nach Fischen zur Meeresbucht. Sein Vater König
Gwyddno (Gwissno) hatte ihn geschickt um nach den heiligen Lachsen
Ausschau zu halten. So kam es, das Elphin, anstelle der Lachse Gwion
entdeckte. Als er das schöne hell leuchtende Baby sah rief er
überrascht aus: „ Taliesin (Tali-ies-sin)“, das ist walisisch
und bedeutet „Seht nur dieses strahlende Gesicht“. Elphin war
sehr überrascht als das Baby ihm antwortete: „Taliesin ist es“,
denn eigentlich können Babys ja noch gar nicht sprechen. Aber
Taliesin, so lautete der neue Name von Gwion, war ein ganz besonderes
Baby und so nahm Elphin ihn mit nach Hause und sein Vater gewann das
Baby so lieb, dass er beschloss den Jungen aufzuziehen. Taliesin
wurde schon in seiner Kindheit ein großer Sänger und Barde und
seine Gedichte besaßen magische Kräfte. Später wurde Taliesin
sogar zum Merlin, zum bekanntesten Zauberer und Propheten
Britanniens.
©zissa
nach
einem keltischen Märchen
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