Freitag, 1. November 2013

Das Knusperhäuschen im Wald {Samhain Märchen}

Es war einmal, da lebte ein armer Holzfäller mit seiner Frau und seinen zwei Kindern vor einem großen Wald. Der Junge hieß Hänsel und das Mädchen Gretel. Die Familie war arm und der Mann konnte kaum das tägliche Brot beschaffen. Nachts lag er wach im Bett und konnte nicht einschlafen, da er sich vor Sorgen von einer Seite auf die andere wälzte. Er seufzte tief und sagte zu seiner Frau: „Was soll aus uns werden? Wie können wir unsere armen Kinder ernähren, da wir für uns selbst nichts mehr haben?“ – „Weißt du was, Mann“, antwortete die Frau, „ es bleibt uns nichts anderes als morgen in aller Frühe die Kinder hinaus in den Wald zu führen, wo er am dichtesten ist. Da machen wir ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein Stückchen Brot. Dann gehen wir beide an unsere Arbeit und lassen die Kinder allein dort zurück. Sie werden nicht mehr nach Hause finden und hoffentlich einem besseren Schicksal als dem unseren entgegen gehen.“ – „ Nein, Frau“, sagte der Mann, „das tue ich nicht; wie sollt ich es übers Herz bringen, meine Kinder im Wald allein zu lassen; die wilden Tiere würden bald kommen und sie zerreißen.“ „Lass uns den Glauben nicht verlieren“, sagte sie, „denn im Wald gibt es noch ältere Geheimnisse von denen wir nichts wissen. Du wirst sehen, sie werden ihr Glück finden.“ Und als sie so sprach und ihm keine Ruhe lies, willigte er schließlich ein. Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen können und hatten gehört, was die Mutter und der Vater besprochen hatten. Hänsel weinte und sprach zu Gretel: „Ich habe solche Angst. Im Wald ist es dunkel und unheimlich. Wie könnten wir dort unser Glück finden?“ Gretel wurde auch von Furcht gepackt, doch wollte sie es dem kleinen Bruder nicht zeigen. Sie nahm ihn in die Arme und wiegte und sang ihn in den Schlaf. Sie musste immerzu an die Worte der Mutter denken, welche ihr Trost zu spenden vermochten: „Im Wald gibt es noch ältere Geheimnisse...“ Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Mutter und weckte die beiden Kinder: „Steht auf, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen.“ Dann gab sie jedem ein Stücken Brot und Gretel steckte es sich in die Schürzentasche. Danach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Wald. Als sie ein Weilchen gegangen waren, stand Gretel still und sah zum Haus zurück und tat das immer und immer wieder. Da fragte der Vater: „Gretel, was machst du denn da? Pass auf, dass du nicht zurück bleibst.“ – „Ach, Vater“, sagte Gretel, „ich sehe nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dach und will mir auf Wiedersehen sagen.“ Bei diesen Worten wurde den Eltern das Herz schwer, doch Gretel bröckelte das Brot in ihrer Schürzentasche, stand oft still und warf die Krummen auf die Erde. Als sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der Vater: „Nun sammelt Holz, ihr Kinder, ich will ein Feuer anmachen, damit ihr nicht friert.“ Hänsel und Gretel trugen Reisig zusammen, einen kleinen Berg hoch. Das Reisig wurde angezündet, und als die Flammen recht hoch brannten, sagten die Eltern: „Nun legt euch ans Feuer, ihr Kinder, und ruht euch aus, wir gehen in den Wald und hauen Holz.“ Hänsel und Gretel saßen am Feuer und als der Mittag kam teilten sie sich ihr übriggebliebenes Stück Brot, da Gretel ihres auf den Weg gestreut hatte. Dann schliefen sie ein, und der Abend verging, aber niemand kam zu den armen Kindern. Sie erwachten erst in der finstren Nacht, und Gretel tröstete ihr Brüderchen und sprach: „Warte nur, Hänsel, bis die liebe Frau Mond aufgeht, dann werden wir die Brotkrummen sehen, die ich ausgestreut habe, die zeigen uns den Weg nach Hause.“ Als Frau Mond kam, machten sie sich auf, aber sie fanden kein Krümmelchen mehr, denn die vielen Vöglein, die in Wald und Flur herumfliegen, hatten sie einfach weggepickt. „Wir werden den Weg schon finden“, meinte Gretel zuversichtlich. Doch sie fanden ihn nicht. Sie gingen die ganze Nacht und noch einen Tag von Morgen bis Abend, aber sie kamen aus dem Wald nicht heraus und waren so hungrig, denn sie hatten nichts als ein paar Beeren, die so von den dichten Hecken pflückten. Und weil sie so müde waren, dass die Beine sie nicht mehr tragen wollten, legten sie sich unter einen Baum und schliefen ein. Am nächsten Morgen fingen sie wieder an zu gehen, aber sie gerieten immer tiefer in den Wald. Als es Mittag war, sahen sie ein schönes schneeweißes Vögelein auf einem Ast sitzen, dass sang so schön, dass sie stehen blieben und ihm zuhörten. Und als es fertig war, schwang es seine Flügel und flog vor ihnen her und sie gingen ihm nach, bis sie zu einem Häuschen gelangten, auf dessen Dach es sich setzte, und als sie ganz nah herankamen, so sahen sie, dass das Häuschen aus süßem Brot gebaut war und mit Kuchen und Zuckerwatte bedeckt. Die Fenster waren von hellem Zucker und die Wände mit Lebkuchen, Gummibären, Schokolade und Lutschern verkleidet. Da die beiden großen Hunger hatten, brachen sie sich ein wenig vom Kuchen ab und aßen von der Schokolade. Da öffnete sich auf einmal die Türe des Häuschens und eine Stimme rief sie herein. Zögernd und langsam traten die Kinder über die Schwelle. Drinnen stand eine steinalte Frau auf einen Stab gestützt und blickte ihnen geradeaus ins Gesicht. Die Alte wirkte obwohl klein und hässlich, majestätisch und die Kinder erschraken. Sie starrten die Frau an und zunächst war ihr Gesicht alt und runzelig, doch im selben Moment schien es sich zu verändern und das Gesicht wurde jung und schön und dann wieder alt und faltig. Die Alte lächelt, doch die Kinder blickten sie stumm vor Angst und Erstaunen an. Sie hatten die Leute oft von bösen Hexen sprechen hören. Es waren alte, hässliche Frauen welche im Wald lebten und Kinder in ihre Häuser lockten um sie zu verspeisen. Ja, dachten sich Hänsel und Gretel, das ist bestimmt eine Hexe und jetzt ist es um uns geschehen. Doch zu ihrem großen Erstaunen lächelte die alte Frau und sprach freundlich: „Ich bin die Herrin des Waldes! Was hat euch zu mir geführt?“ Eine Welle der Wärme floss aus ihren Worten, so dass Gretel plötzlich nicht mehr ganz so viel Angst verspürte. „Unser Eltern können uns nicht mehr versorgen. Wir haben kein Geld und kein Brot. So haben sie uns in diesem Wald zurückgelassen, damit wir hier unser Glück finden“ flüsterte sie leise. „So, um euer Glück zu finden“ antwortete die alte Frau. "Und ihr seid hungrig und friert“ fügte sie mit einem Blick auf die Kinder hinzu. Die Alte wollte die Kinder auf die Probe stellen. „Nun vielleicht kann ich euch helfen. Ihr könnt bei mir bleiben und für mich arbeiten. Ich werde euch zu Essen und warme Betten geben.“ Langsam, noch immer ein bisschen furchtsam stimmten Gretel und Hänsel zu. Die beiden Kinder blieben im Haus der Hexe und arbeiteten hart und fleißig, sie hackten Holz, versorgten die Tiere der Alten, kochten, hielten das Haus sauber und machten die Betten, den ganzen lieben Tag lang. Doch die beiden Kinder waren so glücklich wie nie zuvor in ihrem Leben. Sie bekamen genug zu essen, Milch und Pfannkuchen mit Zucker, Äpfel und Nüsse. Und weiche warme Betten hatten sie in welche sie sich Abends zufrieden und müde niederlegten um süß zu träumen. Es gefiel ihnen sehr gut im Haus der Hexe und sie hatten bald keine Furcht mehr vor ihr. Die Zeit verging und der Winter brach herein. Der ganze Wald war von Schnee und Eis bedeckt. Am frühen Morgen des Julfestes trugen Hänsel und Gretel Futter für die Rehe in die Raufen im Walde und legten Würste für die Wildkatzen unter eine Baum. Sie molken die Ziegen, holten Wasser, reinigten die Ställe und putzen das Haus bis es vor Sauberkeit blitzte, sie scheuerten den Boden und die Tische und spülten das Geschirr. Sie halfen der alten Frau den Julbaum zu schmücken. An diesem Abend saßen sie vor dem knisternden Feuer, kraulten die Katzenöhrchen und die Herrin des Waldes erzählte ihnen wie jeden Abend von den Sternbildern am Himmel, den Namen der verschiedenen Bäume und Blumen, von der Kraft der Kräuter und davon wie man Tiere und Menschen damit heilen konnte. Doch heute am Julfest hörten Hänsel und Gretel nur mit halbem Ohr zu. Ja, sie hatten viel von der guten alten Frau gelernt und sie liebten sie mittlerweile aus tiefstem Herzen. Doch je mehr sich der Abend dahinzog, desto mehr senkten sich die Köpfe der Kinder, desto trauriger wurden ihre Augen. Sie hatten große Sehnsucht nach zu Hause, nach ihrer Mutter und ihrem Vater. Da rief die Herrin des Waldes sie zu sich. „Ihr lieben Kinder, ich danke euch für eure Hilfe. Ihr habt hart und fleißig gearbeitet. Ich habe euch von Herzen gern und es fällt mir schwer euch ziehen zu lassen. Aber ich sehe, das ihr euch nach eueren Eltern sehnt.“ Sie erhob sich von ihrem Stuhl und lies ihren dunklen Mantel fallen. Die Kinder erschauerten, den die alte hässliche Hexe verwandelte sich und vor ihnen stand mit einem Mal die schönste und strahlendste junge Frau, die sie je gesehen hatten. Ihr silberweißes Licht blendete fast ihre Augen. Es war die Göttin, die sprach: „Ihr guten Kinder, ihr sollt wieder nach Hause zurückkehren, weil ihr mir so treu gedient habt und eure Herzen gut und voll Licht sind, werde ich euch belohnen.“ Und als Hänsel und Gretel in ihre Schürzen und Taschen griffen waren sie voller Schätze, Perlen und Edelsteinen. Die letzte Scheu, die sie gegenüber der Herrin verspürt hatte wich und sie fielen ihr um den Hals und umarmten sie und dankten ihr. Die Göttin drückte die beiden fest an sich und Hänsel und Gretel kehrten glücklich nach Hause zurück. Die Eltern hatten schon sehr um sie geweint und sie vermisst. Sie waren froh, dass ihre Kinder wohlbehalten heimkehrten und niemals wieder mussten sie Not leiden, denn die Herrin aus dem Wald hatte sie mit großzügigen Gaben beschenkt. Jedes Mal wenn Hänsel oder Gretel jemanden von bösen Hexen aus dem Wald reden hörten, lächelten sie nur, denn sie wussten ja: Böse Hexen gibt es nicht. Hexen sind etwas wundervolles, denn sie dienen der Göttin!

©zissa

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